Die Berufene: Roman (German Edition) by Carey M. R

Die Berufene: Roman (German Edition) by Carey M. R

Autor:Carey, M. R. [Carey, M. R.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783426423011
Herausgeber: Knaur eBook
veröffentlicht: 2014-09-25T22:00:00+00:00


38

Ich habe das hier gefunden«, sagt Gallagher, als Helen Justineau an den Tisch zurückkehrt. Ihr Essen ist inzwischen kalt geworden, und die anderen haben ihre Mahlzeit schon fast beendet, aber irgendwie hatte er das Gefühl, dafür müssten alle versammelt sein. Außerdem findet er, dass Helen Justineaus Lächeln verdammt sexy ist für eine ältere Frau, und hofft, dass sie es eines Tages auch mal bei ihm anwendet.

Er stellt eine Flasche auf den Tisch, die er bei der Suche in einem der Vorratsschränke gefunden hat. Sie stand auf dem Boden und war mit modrigen Putzlumpen bedeckt, so dass sie wohl unentdeckt geblieben wäre, wenn er nicht zufällig dagegengetreten und dann das Klimpern und das Schwappen der Flüssigkeit gehört hätte.

Bei einem Blick nach unten bemerkte er dann eine Ecke des Etiketts – ein Hauch von Gold und Braun, wo der schützende Mantel aus blauen Tüchern verrutscht war: Metaxa drei Sterne. Voll, noch nie geöffnet. Sich selbst zuliebe wich er vor der Flasche und der giftigen Erleichterung, die sie versprach, zurück. Er häufte die Putzlappen wieder darüber auf und versteckte sie so.

Aber dann ging er immer wieder zu ihr zurück. Den ganzen Tag hatte er sich wegen ihrer Reise verrückt gemacht, wegen der Aussicht, nach Beacon und in die bedrückende, fest umzäunte Welt zurückzukehren, die er so gerne hinter sich gelassen hatte. Er hatte sich gefühlt, als gäbe es kein Entrinnen. Und vielleicht erforderten verzweifelte Umstände ja verzweifelte Heilmittel.

Jetzt starren die anderen die Flasche an, er hat das schleppende Gespräch völlig lahmgelegt.

»Scheiße!«, murmelt Sergeant Parks fast schon ehrfürchtig.

»Das ist richtig gutes Zeug, oder?«, fragt Gallagher und spürt, wie er rot wird.

»Nein.« Bedächtig schüttelt Sergeant Parks den Kopf. »Nein, alles in allem ist es nicht so toll, aber es ist echtes Zeug, kein im Eimer gebrauter Fusel.« Er dreht die Flasche in den Händen und untersucht das Siegel sowohl mit den Augen als auch, indem er daran schnüffelt. »Vielversprechend«, stellt er fest. »Normalerweise würde ich für weniger als französischen Cognac nicht einmal aus dem Bett aufstehen, aber scheiß drauf. Holen Sie uns Gläser, Private.«

Gallagher gehorcht.

Er bekommt kein Lächeln von Justineau. Die ist fast genauso fertig wie Dr. Caldwell, als hätten die ganzen Krisen des Tages ihre Nerven zu sehr strapaziert, um noch normal zu funktionieren.

Aber was noch viel cooler ist als ein kleines Lächeln, ist die Tatsache, dass der Sarge ihm als Erstem einschenkt. »Die Ehre gebührt dem Finder«, sagt Parks, nachdem alle Gläser gefüllt sind. »Wie wäre es mit einem Toast?«

Gallaghers glühende Wangen werden noch röter. Er hebt sein Glas. »Eine Flasche für vier Mann, verdammt, dass es nicht mehr sein kann!«, rezitiert er. Den hat sein Vater oft gebrüllt, so laut, dass es durch die Bodenbretter zum nicht einmal zwölfjährigen Kieran vordrang, der unter einer dünnen Decke lag und sich das Zechgelage der Erwachsenen anhören musste.

Dann nannten sie sich Schwuchteln.

Dann fingen sie an, sich zu prügeln.

Sein Trinkspruch geht durch, die Gläser klirren. Alle trinken. Der starke, süße Alkohol läuft brennend Gallaghers Kehle hinunter. Er versucht verzweifelt, die Lippen geschlossen zu halten, fängt dann aber doch an zu husten.



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